Erstellung eines einfachen bzw. flachen Oberteilgrundschnittes

Einen guten Grundschnitt zu haben, ist immer hilfreich. Nicht nur für die Erstellung von eigenen Schnitten, sondern ihr könnt diesen auch in Verbindung mit Fertigschnittmustern verwenden.

Legt die Grundschnittschablone auf das Fertigschnittmuster und ihr könnt sofort erkennen, wo ihr am Fertigschnitt ggf. etwas abändern müsst, wie z.B. die Taillenlinie tiefer setzen.

Heute zeige ich euch die Erstellung eines einfachen oder flachen Oberteilgrundschnittes.
Warum einfach oder flach? Es ist der Grundschnitt ohne jegliche Abnäher.
Dieser Grundschnitt kann als Grundlage verwendet werden wenn wenig oder kein Brustansatz vorliegt, bei Lagenlookmodellen oder Kleidung, die nicht auf Figur geschnitten wird und auch bei einigen Modellen aus dehnbaren Materialien.

Es ist nur ein Grundschnitt ... Bewegungszugaben sind nicht enthalten!!!!
Diese müssen je nach Stoffart und Modell hinzugefügt oder aber auch reduziert werden.

Heute geht es hier erst einmal um den Grundschnitt Vorderteil.
Das Rückenteil nehmen wir uns dann für das nächste Mal vor.

Für die, die mein Video auf facebook nicht gesehen haben, hier erst nochmal eine Übersicht der Materialen:
- einen super spitzen Bleistift (denkt daran, wirklich das genau Maß abzutragen. Auch wenn es manchmal an einem Teil nur 2 mm Differenz sind, sind es im Umfang dann gleich 0,5 - 1 cm mehr und das führt dazu, dass das Kleidungsstück nicht mehr perfekt sitzt)
- ggf. einen Fineliner
- lange Lineale zum Zeichnen der Linien, gut ist auch ein größeres Winkelmesslineal (achtet hier einfach mal auf die Discounter Angebote. Da lassen sich diese Lineale oft günstig erwerben)
- ein Maßband
- ggf. Taschenrechner
- Fotokarton oder Packpapier (ich nutze gerne Fotokarton, da es stabiler ist und ich die Vorlage, dann wirklich gut als Schablone nutzen kann. Perfekt wäre ein Fotokarton mit dem Maß 100 cm x 70 cm, bei einer kleineren Größe müsst ihr vom Seitenrand einfach etwas abschneiden und unten anfügen, da die Länge von Schulter bis Hüfte doch die 70 cm übersteigt.

Los geht´s:

Den Fotokarton lege ich mir mit der langen Seite senkrecht vor mir hin und zeichne erst einmal eine senkrechte lange Linie und kennzeichne diese mit "Vordere Mitte"













10 cm unterhalb des Kartonrandes zeichne ich mir eine waagerechte Linie. Das ist die Linie Nr. 1, die die Nackenlinie ist.












Danach wird die Taillenlinie eingezeichnet = Linie Nr. 2
Hierfür ist das Maß vordere Taillenlänge erforderlich (das ist der mittlere untere Punkt vom Halsloch = Brustbeinvertiefung bis zur Taille)














In der Mitte von Nacken- und Taillenlinie zeichnet ihr die Brustlinie ein = Linie Nr. 3



























Genau in der Mitte von Brustlinie und Nackenlinie zeichnet ihr die waagerechte Linie Nr 4, auf der das Maß von Achsel zu Achsel nachher abgetragen wird.


Linie Nr. 5 ist die Hüft- bzw. Gesäßlinie. Hierfür benötigt ihr das Maß Taille bis Hüfte/ Gesäß (die Linie Nr. 5 zeichnet ihr also entsprechend diesem Maß waagerecht unter der Taillenlinie)



Die sogenannte "schmale" Hüftlinie ist Linie Nr. 6, die genau in der Mitte von Linie 2 und Linie 5 liegt.








Jetzt sind alle erforderlichen waagerechten Linien auf Papier gebracht. Es erfolgt die Abtragung der Umfangsmaße.




Als erstes wird der Nackenumfang markiert.
Diesen Punkt markiert ihr auf der Linie 1 der Nackenlinie. Für die Feststellung der Mindestweite des Nackenumfanges wird folgende Formeln verwendet

Nackenumfang : 6 zzgl. 0,5 cm Zugabe (Punkt1)

Nackenumfang                              
----------------------   + 0,5 cm  =  X cm
6                     


Nachdem wir die Mindestweite für den Halsausschnitt festgelegt haben, benötigen wir die Höhe des Halsausschnittes. Auch hierfür gibt es nochmal eine Formel:

Nackenumfang : 6 zzgl. 1 cm Zugabe (Punkt 2)

Nackenumfang
--------------------- + 1 cm = y cm
         6 


Die Höhe des Halsausschnittes zeichnet ihr senkrecht vom Punkt der Weite des Halsausschnittes nach oben
(Von Punkt 1 nach Punkt 2)























Zeichnet anschließend genau mittig der beiden Markierungen eine Hilfslinie (gestrichelte Linie)
Vom oberen Punkt (Höhe Halsausschnitt) zeichnet jetzt eine Linie in Länge eurer Schulterbreite ein, die genau auf die zuvor gezogene Hilfslinie trifft.
Ein kleiner Tipp: das Maß Schulterendpunkt bis zur vorderen Mitte doppelt genommen, muss das Maß Schulter bis Schulter ergeben!




















Auf der Linie 4 tragt ihr das hälftige Maß von Achsel bis Achsel ein.
Den Schulterendpunkt verbindet ihr jetzt mit dieser Markierung









Linie 3 wird mit dem Maß vom 1/4 Brustumfang gekennzeichnet








Auf Linie 2 tragt ihr ein 1/4 Taillenmaß ab
























Auf Linie 5 tragt ihr 1/4 Hüft-/ bzw. Gesäßmaß ab










Verbindet jetzt die die Punkte von Linie 3 und 2 bzw. 2 und 5

















Da wir ja keinen eckigen Körper haben, lassen wir die Linien nicht so gerade verlaufen. Auf Linie 6 wird ein Punkt 0,5 cm neben dem Kreuzpunkt gelegt, so daß ihr mit Hilfe eines Kurvenlineals oder natürlich auch frei Hand eine leichte Kurve von Linie 2 bis Linie 6 und weiter von Linie 6 bis Linie 5 zeichnen könnt.



















Eine leichte Kurve ist auch an den anderen Punkten sinnvoll - also an der Taillenlinie und Brustlinie, da wir ja auch hier keinen geraden verlaufenden Körper haben

Von der Brustlinie aus zieht ihr die senkrechte Linie noch 2 cm nach oben (der Abstand Schulterendpunkt bis zu dem jetzigen Punkt entsricht der Höhe des Armausschnittes)
Es soll wirklich senkrecht nach oben gezeichnet werden, auch wenn es hier anders wirkt 






Die Halslochkurve müssen wir ebenfalls noch einzeichnen.



Als nächstes können wir noch das hälftige Maß Abstand von Brustpunkt zu Brustpunkt auf der Brustlinie 3 markieren. Zieht von hier aus eine Senkrechte herunter zur Taillenlinie.


















Nehmt das Maß Brustbein (vordere Mitte Halsausschnitt) bis zum Brustpunkt und zieht euch eine Hilfslinie mit diesem Maß auf die zuvor gezeichnete Senkrechte. Jetzt könnt ihr genau den Punkt erkennen, an dem der Brustpunkt sitzt (ist später für die Abnäher wichtig)!










Für heute war es das erst einmal.



Ich weiß, es klingt erst einmal verwirrend mit den ganzen Linien, doch einmal verstanden, wie es geht, könnt ihr euch den Grundschnitt ganz schnell zeichnen.

Tipp: Vermesst euch zwischendurch immer mal wieder neu. Die Maße ändern sich doch häufiger als man denkt. Ihr könnt eure Maße mit Datum in der Tabelle aus meinem Nähplaner festhalten (den Nähplaner findet ihr hier ebenfalls im blog als download)

Viel Spaß wünsche ich euch jetzt bei der Erstellung des Vorderteilgrundschnittes und ich freue mich über feedback hierzu.



















Kommentare

Hotsewingfoot hat gesagt…
Liebe Tina, herzlichen Dank erst mal, dass du dir die viele Mühe gemacht hast, diese Anleitung zu schreiben. Ich hatte vorher auch schon Grundschnitte konstruiert und wollte nun deine Methode ausprobieren. Dazu zwei Fragen: Meine obere Hüftweite (auf Höhe Hüftknochen) ist grösser als die untere Hüftweite (Gesäss). Welchen Wert zeichne ich nun ein? Da ich schmale Schultern und eine grosse Oberweite habe, ist die hintere Schulternaht sehr steil. Ich habe aber keine fallenden Schultern. Was mache ich damit? Liebe Grüsse Susan
Henni hat gesagt…
Danke - hab zum ersten Mal kapiert, wie's geht - richtig gut erklärt! Ich denke grade drüber nach, ob ich deine Anleitung für meine Nähpuppe (mir fehlt grade der richtige Begriff) benutzen kann..........Liebe Grüsse, Henrike